08/11/2005

Wie von Herr Peter Brabeck-Letmathe, dem neuen Verwaltungsratspräsidenten und CEO von Nestlé zugesagt, will das Unternehmen seine Statuten überarbeiten. Dafür hat der Ver-waltungsrat seinen 250'000 Aktionären und Aktionärinnen einen Fragebogen zugestellt und um dessen Retournierung bis zum 26. August gebeten. Nestlé möchte auf diesem Weg die Meinung der Anteilseigner über die Änderungen bestimmter Artikel erfahren, die sich direkt auf die Corporate Governance des Konzerns auswirken.

Dieses in der Schweiz bisher ein-zigartige Vorgehen erfolgt nach der Generalversammlung 2005, an der eine bedeutende Zahl von Nestlé-Anteilseignern die von der Stiftung ethos und fünf grossen schweizerischen Pensionskassen eingereichten Anträge unterstützten. Bei diesen Anträgen ging es darum, die Statuten von Nestlé den Best-Practice-Regeln der Corporate Governance anzupassen. Heute räumt der Verwaltungsrat ein, dass mehrere Artikel, welche den Konzern vor einer feindlichen Übernahme schützen sollten, angesichts der Entwicklung des gesetzlichen Rah-mens in der Schweiz, des internationalen Rechts und der Best Practice im Bereich der Cor-porate Governance keine Daseinsberechtigung mehr haben. Aus diesen Gründen möchte das Unternehmen die Meinung seiner Aktionäre kennen, bevor die Statutenänderungen an der Generalversammlung 2006 beantragt werden.

Die Stiftung ethos begrüsst das Vorgehen von Nestlé und hat deshalb beschlossen, ihre Stellungnahme zu den vom Nestlé-Verwaltungsrat gestellten Fragen publik zu machen.

Frage Nr. 1: Stimmrechtsbeschränkung auf 3% des Aktienkapitals (Artikel 6.6)

x  Streichung des Artikels

Die Stimmrechtsbeschränkung ist eine Begrenzung der Grundsätze der Aktionärsdemokratie (eine Aktie = eine Stimme). Sie wird von den Gesellschaften häufig als Verteidigungsinstru-ment gegen feindliche und überraschende Übernahmeangebote gerechtfertigt. Wie jedoch der Nestlé-Verwaltungsrat zu Recht anmerkt, schliesst das neue schweizerische Recht in dieser Sache Überraschungsgeschäfte aus und gewährleistet die Korrektheit und Transpa-renz der öffentlichen Kaufangebote ebenso wie die Gleichbehandlung der Aktionäre. Die Anlagestiftung ethos empfiehlt deshalb, die Stimmrechtsbegrenzung aufzuheben.

Fragen Nr. 2 und 3: Besonderes Quorum und qualifizierte Mehrheit (Artikel 16 und 17)

x  Streichung der Artikel 16 und 17

Nestlé ist eine der letzten grossen schweizerischen Aktiengesellschaften, die in ihren Statu-ten noch sogenannte «Präsenzquoren» kennen (Artikel 16 und 17). Diese sehen vor, dass an der Generalversammlung ein bestimmter Prozentsatz des Aktienkapitals vertreten sein muss, um gewisse Beschlüsse fassen zu können. Angesichts der Tatsache, dass zahlreiche Aktionäre sich nicht ins Aktienregister eintragen lassen und nicht an der Generalversamm-lung teilnehmen, sind solche Präsenzquoren oft schwierig zu erreichen. So müssen bei-spielsweise bei Nestlé «mindestens zwei Drittel des Aktienkapitals» an der GV vertreten sein, damit eine Verkürzung der Amtsdauer von VR-Mitgliedern beschlossen werden kann. Da jedoch auf den Zeitpunkt der Nestlé-Generalversammlung 2005 nur 65% des Aktienkapi-tals im Register eingetragen waren, war eine Veränderung der Amtsdauer gar nicht möglich. Im übrigen schreibt das Obligationenrecht heute für bestimmte wichtige Entscheidungen (et-wa die Verlegung des Gesellschaftssitzes) eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der an der GV vertretenen Stimmen vor, was eine ausreichende Schutzmassnahme darstellt. Die Stiftung ethos empfiehlt deshalb die Streichung der Präsenzquoren.

Frage Nr. 4: Verwaltungsrat – Amtsdauer (Artikel 23)

x  3 Jahre

Die Wahl der Verwaltungsratsmitglieder ist eines der Grundrechte des Anteilseigners. Die Stiftung ethos ist der Meinung, dass kürzere Amtsdauern den Aktionären erlauben, die Un-abhängigkeit und Leistung des Verwaltungsrats regelmässiger neu zu bewerten. Die grosse Mehrheit der börsenkotierten Gesellschaften kennt heute die vom Obligationenrecht empfoh-lene Amtsdauer von 3 Jahren. Da Nestlé die einzige der 100 grössten Schweizer Aktienge-sellschaften mit einer Mandatsdauer von 5 Jahren ist, empfiehlt die Stiftung ethos, die Amts-dauer auf 3 Jahre herabzusetzen.

Frage Nr. 5: Revisionsstelle – Amtsdauer (Artikel 30)

x  1 Jahr

In der Schweiz ist es übliche Praxis, die Revisionsstelle alljährlich zu wählen. Der Nestlé-Konzern unterscheidet sich auch in diesem Punkt, indem er zu den wenigen Gesellschaften gehört, die ihr Revisionsorgan für 3 Jahre wählen. Die neuen Transparenzregeln erlauben heute, die Unabhängigkeit der Revisionsstelle jährlich zu überprüfen, indem insbesondere das Verhältnis zwischen den Honoraren für die Buchprüfung mit denjenigen für andere Leis-tungen (Tax-Consulting, Due Diligence usw.) verglichen wird. Die Stiftung ethos empfiehlt deshalb, die Amtsdauer auf 1 Jahr herabzusetzen.

Für den Fragebogen und die Statuten von Nestlé bitte hier Anklicken.

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